BIM im Bestand

In letzter Zeit mehren sich die Projekte, bei denen sogenannte „As-Build“-Modelle angefragt werden. Manche davon von kürzlich errichteten oder in näherer Zukunft fertigzustellenenden Gebäuden; andere aber auch von solchen, die schon längere Zeit existieren. Viele Bauherren versprechen sich von einem BIM-Modell ihrer Bauwerke einen (noch nicht zu beziffernden) Mehrwert in der Dokumentation und dem Betrieb; derzeit werden diese Bemühungen als „Pilotprojekte“ bezeichnet. Welche Schwierigkeiten können bei einer Erstellung und Nutzung eines solchen Bestandsmodellen entstehen?

Informationssuche am Bestandsobjekt

Nehmen wir an, das Facility Management benötigt eine Information über das Bestandsgebäude. Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, diese zu finden.

Der aufwändigste – aber verlässlichste – Weg ist, vorort im Gebäude nachzusehen. Viele Bauprodukte wie Fenster und Türen haben Kennzeichnungen, sodass man sehr genau auf Bauteilinformationen Zugriff hat.

Die zweite Möglichkeit, welche möglicherweise die am meisten verbreitete ist, liegt darin, die Bestandsdokumentation zu sichten und daraus die benötigten Daten zu erhalten. Je nach Gebäudetyp und Systematisierung der Dokumentenablage kann dies ebenfalls lange dauern. Im Erfolgsfall hat man dann aber zumeist das Orginaldokument (oder eine digitale Version davon, z.B. gescannt) vorliegen.

Da eine solche Suche natürlich ein hohes Maß an Wissen über das Gebäude selbst und die Ablagestruktur erfordert wurden in den vergangenen Jahrzehnten sogenannte CAFM-Systeme entwickelt. Damit sollen einerseits die relevanten Daten leichter gepflegt und andererseits wichtige Dokumente schneller gefunden werden können.

Jetzt, da BIM in aller Munde ist, sollen die Bestandspläne auch das Niveau eines 3D-Modells gehoben werden. Dadurch, so die Vorstellung, könne die Verwaltung und der spätere Umbau von Bauwerken noch effizienter vonstatten gehen. Die MitarbeiterInnen im Facility Management können virtuell durch das Gebäude gehen, müssen „nur“ den gewünschten Bauteil anklicken, und schon erscheinte eine Liste mit all den gewünschten Informationen.

Vertrauen in die Datenlage

Wir gehen bei einer solchen Überlegung immer vom besten Fall aus. Wir haben eine vorhandene vollständige, eindeutige und richtige Dokumentation unseres Gebäudes vorliegen, und können diese lückenlos und korrekt in ein Modell übertragen. DIe Originaldokumente werden obsolet.

Das Problem ist aber: das ist so gut wie nie der Fall.

Die Bestandsdokumenation ist in vielen Projekten eine „lästige“ Pflicht zum Projektabschluss. Sie ist zumeist sehr umfangreich und mit den zur Verfügung stehenden Resourcen kaum überprüfbar. Die Schwierigkeit liegt ja daran, dass die Zuständigkeiten wechseln, nämlich vom Bauprojekt in den Betrieb. Das bedeutet: andere Personen, andere Abläufe und andere Schwerpunkte. Bis ein Fehler in der Dokumentation auffällt können Jahre vergehen.

Wenn es also „hart auf hart“ kommt, welchen Informationen wird man am ehesten vertrauen? Einem Modell, das (so ehrlich müssen wir sein) nicht unbedingt von den am höchsten qualifizierten Modellierern auf Basis von ausgewählten Teilen einer Bestandsdokumentation „nachgezeichnet“ wurde? Wobei die Informationen in einem solchen Modell (wenn man die vorgeschlagenen Nutzungsbestimmungen liest) nur „unverbindlichen“ und „informativen“ Charakter haben? Oder den Originaldokumenten, die unveränderlich von den damaligen Projektverantwortlichen erstellt wurden. Für deren Inhalt (teilweise) auch Hersteller, Baufirmen und ZiviltechnikerInnen haften?

Jede Nach- und Aufbereitung birgt das Risiko von Fehlern. Aus einem 2D-PDF ein 3D-Modell zu erstellen erfordert ein genaues Wissen über das Gebäude, denn vieles muss von den Modellierern interpretiert werden. Dokumente können sich widersprechen, und bei der Modellerstellung ist zu wenig Zeit, sich mit allen Dokumenten intensiv auseinander zu setzen.

Jede Information, die in ein solches Modell eingegeben wird, ist potentiell falsch. Es könnte bereits die Dokumentation falsch sein, es wurde nicht der Letztstand übertragen, dieser falsch interpretiert oder – Fehler sind menschlich – man vertippt sich. Noch unangenehmer: BIM-Programme erzeugen „Dummy“-Informationen, weil ansonsten die Geometrie eines 3D-Modell nicht erzeugt werden kann.

Conclusio

Als Eigentümer oder Betreiber eines Gebäudes wäre mir eine solche Vorgehensweise also viel zu riskant. Also sollte man es gleich bleiben lassen? Eine alternative Vorgehensweise kann in diesem Beitrag nachgelesen werden.

BIM soll dieses Dokumentationschaos für neue Projekte verhindern, und das ist natürlich erstrebenswert. Bei älteren Bauwerken ist jedoch die Ausgangslage eine andere. Es geht darum, validierte Informationen schrittweise und nachvollziehbar in ein neues System zu übertragen. Es wäre fatal, hier den nächsten Medienbruch zu generieren und damit weitere Dokumente in Vergessenheit geraten zu lassen. Bei bestehenden Gebäude kann es keine „einzige Wahrheit“ geben. Die angestrebte Eindeutigkeit ist (leider) eine Illusion.

Ein Gebäudemodell (nicht gezwungenermaßen mit 3D-Geometrien!) kann beim Auffinden von Informationen (insbesondere widersprüchlichen) in den vorhandenen Dokumenten unterstützen, aber niemals verlässlich ersetzen. Sehen wir es einfach mer als Suchmaschine denn als Informationsquelle, dann kommen wir „der Wahrheit näher“.