Bauteileigenschaften

Viele Diskussionen zum Thema BIM drehen sich um die Definition von Bauteileigenschaften. Diese Merkmale sollen an einer eindeutigen Stelle im Projekt an einem Bauteil angehängt werden, um in weiterer Folge wiederverwendete – z.B. ausgewertet zu werden. Häufig handelt es sich um Spezifikationen betreffend die Materialien oder zeitliche Abläufe. Warum ist das aber eigentlich nicht richtig, und weshalb wird es trotzdem so gehandhabt?

Materialeigenschaft vs. Bauteileigenschaft

Fragt man eine Baufirma, welche Attribute eine Wand aufweisen muss, damit diese kalkuliert werden kann, so kommt sogleich die Gegenfrage nach dem Material. Bei einer Betonwand sind dann etwa die Betongüte, die Festigkeitsklasse und der Bewehrungsgrad relevant. Bei einer Trockenbauwand werden andere Informationen benötigt als bei einer Ziegelwand usw. Nun stellt sich die Frage: sind solche Informationen wirklich Eigenschaften / Anforderungen an eine Wand? Oder spezifizieren sie viel mehr ein bestimmtes Material?

So eindeutig lässt sich das oft nicht sagen. Betrachten wir die Stahlbetonwand etwas genauer. Genau genommen handelt es sich ja um mehrere Materialien, die hier im Endeffekt die fertige Wand ausmachen, also Beton und der Bewehrungsstahl. Der Beton hat Eigenschaften betreffend seiner Festigkeit, der Expositionsklasse und Kornzusammensetzung. Der Stahl hat ebenfalls eine Festigkeit, die jedoch einer anderen Klassifizierung folgt. Der Bewehrungsgrad wiederum kann sich nur auf den Bauteil – bei zusammengesetzten Bauteil auf die Bauteilschicht – beziehen.

In den meisten Modellen wird diese Unterscheidung nicht gemacht. Die Wand selbst weist dann all diese Eigenschaften auf. In manchen Programmen (wie etwa Autodesk Revit) ist es jedoch nicht möglich, Unterkategorien für bestimmte Wandtypen zu definieren. Das führt dazu, dass einerseits Begriffe wie Materialgüte für verschiedene Baustoffe verwendet werden (solche Bezeichnungen aber in Normen unterschiedlich definiert sind) und andererseits in einem Modell alle möglichen Parameter auf Vorrat definiert werden müssen. Eine Wand weist dann Parameter für Trockenbau- und Stahlbetonwände auf. Die Parameterliste wird daher immer länger, was die NutzerInnen irritieren und zu Fehlern führen kann.

Implementierung im IFC-Schema

Etwas flexibler ist hierbei – wieder einmal – das IFC-Schema, auch wenn es im Detail noch ausbaufähig ist. Der Vorteil hierbei ist, dass Eigenschaften in PropertySets zusammengefasst werden, und diese dann gebündelt dem jeweiligen Bauteil zugewiesen werden. Stahlbetonwände erhalten somit keine trockenbauspezifischen Parameter und umgekehrt. Möchte man diese Informationen noch etwas strukturierter organisieren, so empfiehlt sich, diese Zuweisung nicht beim konkreten Element, sondern über einen übergeordneten Typen zu machen; dazu in einem anderen Beitrag mehr.

Diese grundsätzliche Logik könnte natürlich noch weiter verfolgt werden. Es gibt Überlegungen, Typen in IFC noch stärker zu hierarchisieren, also Untertypen zuzulassen. Somit könnten alle Trockenbauwände mit ihrer unterschiedlichen Breite von einem Basistypen abgeleitet werden, welcher die wesentlichen Eigenschaften auflistet. Je nach Untertyp können diese überschrieben oder erweitert werden.

4D und 5D

Dieselbe Problematik taucht aber auch auf, wenn man einzelnen Bauteilen Bauablaufs- und Kostenermittlungs- bzw. Abrechnungsparameter zuweist. Zumeist setzt sich die Erstellung eines Bauteils aus mehreren Vorgängen zusammen; gleiches gilt für die hierfür anfallenen Kosten.

Somit werden auch hier mehrfach gleiche Parameter verwendet; aus dem einfachen Grund, weil die BIM-Software keine vollwertige (relationale) Datenbank ist. Es können daher keine Verschachtelungen, Listen, Arrays oder Relationen zu anderen Objekten gespeichert werden (das IFC-Schema würde all das durchaus zulassen). Nicht jedes kosten- bzw. terminrelevante weist auch eine Geometrie auf, und kann daher auch nicht sinnvoll in einer Modelliersoftware erstellt werden.

Sogenannte „Dummy“-Objekte sind – selbsterklärend – das Gegenteil von „smart“.

Conclusio

Auch wenn es semantisch nicht richtig ist, zwingen die derzeitigen Einschränkungen der BIM-Modellierprogramme die Modellierer dazu, Bauteil- und Materialeigenschaften zu vermischen. Dies sollte aber als vorläufiger Workaround angesehen werden und nicht zu einer Standardisierung bzw. sogar Normierung führen. Wir dürfen eine Modelliersoftware nicht zu etwas „verbiegen“, wofür sie nie gedacht waren. Ansonsten sind wir auf dem besten Weg, die Fehler aus der CAD-Ära zu wiederholen.