Die Geheimnisse von IFC – Teil 1: Complex, Element oder Partial?

Das IFC-Schema weist so einige interessante Eigenheiten auf. Diese sind in erster LInie nicht gleich ersichtlich, auch, weil die meisten BIM-Programme diese derzeit (noch) nicht unterstützen. BlenderBIM ist hier eine löbliche Ausnahme; es bleibt zu hoffen, dass auch Autodesk, Nemetschek und andere hier nachziehen. Denn genau betrachtet sind die folgenden „Funktionen“ durchaus sinnvoll und erleichtern das digitale Abbilden der gebauten Umwelt.

Die meisten Programme unterstützen folgende (Haupt-)Struktur in einer IFC-Datei.

  • Projekt (IfcProject): jede IFC-Datei darf nur ein Projekt enthalten
  • Grundstück/Liegenschaft (IfcSite): jedem Projekt können ein oder mehrere Grundstücke zugeordnet werden. Manche BIM-Programme (z.B. Autodesk Revit) unterstützen diese Hierarchieebene nicht, sondern erstellen diese erst beim Export.
  • Gebäude (IfcBuiliding): jedem Grundstück können ein oder mehrere Gebäude zugeordnet werden. Bezüglich der Einschränkungen gilt wieder selbiges wie für Grundstücke.
  • Geschoß (IfcStorey): Jedes Gebäude beinhaltet wiederum ein oder mehrere Geschoße. Dieses Konzept wird von allen BIM-Programmen unterstützt, wobei dies in Autodesk Revit nicht konsquent umgesetz ist. Dort gibt es sogenannte Ebenen, von denen einzelne als Geschoß definiert werden können; beim Export nach IFC werden die Bauteile der darüberliegenden Ebenen an die darunterliegende Geschoßebene „angehängt“.
  • Räume (IfcSpace): In den Geschoßen können sich nunmehr ein oder mehrere Räume befinden.

Soweit, so bekannt. Die Umsetzung der Struktur unterscheidet sich mitunter zwischen den verschiedenen BIM-Programmen (auch, ob Räume Objekte oder nur „virtueller Rest zwischen Objekten“ ist).

Liest man jedoch die Dokumentation des IFC-Schemas zu diesen IFC-Klassen (außer IfcProject) im Detail, so taucht noch eine zusätzliche Unterteilung auf, und zwar gleich bei der Definition. Diese Klassen haben nämlich ein Attribut namens CompositionType, welches einen der folgenden Werte annehmen kann:

  • COMPLEX: Ein Objekt diesen Typ kann mehrere andere Objekte der selben Klasse mit dem Typ „ELEMENT“ beinhalten.
  • ELEMENT: Ein Objekt diesen Typs kann nur einem „komplexen“ Objekt zugeordnet sein, jedoch mehrere Objekte der selben Klasse mit dem Typ „PARTIAL“ beinhalten.
  • PARTIAL: Ein Objekt diesen Typs kann nur einem Objekt des Typs „ELEMENT“ zugeordnet sein.

Die zu Beginn angeführte Hierarchie kann daher noch flexibler organisiert werden. Diese geht grundsätzlich davon aus, dass alle Hierarchieebenen den CompositionType „ELEMENT“ aufweisen. Warum wurde also im IFC-Schema diese zusätzliche Unterteilung vorgesehen?

Liegenschaft/Grundstücke

COMPLEX

Nehmen wir als Beispiel ein großeres Bauprojekt. Hierbei kann es durchaus vorkommen, dass sich ein Gebäude über mehrere Grundstück erstreckt. Welches davon soll nun herangezogen werden? Wird ein übergeordentes, „komplexes“ Grundstück angelegt, so können die einzelnen Grundstück („ELEMENT“) im Projekt mitverwaltet werden, als Liegenschaft für das Gebäude dient jedoch das übergeordnete Grundstück.

PARTIAL

Ebenso wie die Gruppierung von Grundstücken ist auch ihre Unterteilung möglich. Oftmals dürfen nicht alle Flächen eines Grundstücks bebaut werden, Teilbereiche des Grundstücks haben also unterschiedliche Widmungen (Eigenschaften) oder haben unterschiedliche Anforderungen. Diesen Fall kann man mit dem CompositionType „PARTIAL“ abdecken. Ob ein Teilgrundstück oder das Hauptgrundstück als „Mutterobjekt“ herangezogen wird ist hierbei im Projekt festzulegen (diese Frage stellt sich derzeit aber nur in BlenderBIM).

Gebäude

COMPLEX

Auch bei Gebäuden findet sich die selbe Logik wieder. Auf einem Grundstück können sich mehrere Gebäude befinden, die einen Gebäudekomplex (dieser Begriff wird ja durchaus verwendet) bilden. Sie bilden zwar organisatorisch eine Einheit, bautechnisch sind sie jedoch unabhängig.

PARTIAL

Auch die Unterteilung von Gebäuden in Bauteile (nicht zu verwechseln mit den Bauprodukten) ist üblich, sei es als „Flügel“, „Stiege“, „Trakt“ etc.

Geschoße

COMPLEX

Schön langsam zeichnet sich hier ein Muster ab. Denn auch Geschoße lassen sich zu komplexen Geschoße zusammenfassen. Beispielsweise können so abgestufte Höhenverläufe in Hanglagen, Gebäude mit Splitlevel oder Halbgeschoße in Treppenläufen besser abgebildet werden

PARTIAL

Ebenso können Geschoße wieder in Teile geglieder sein. Man könnte dies mit den Ebenen, wie man aus Revit kennt, vergleichen, etwa für Rohdeckenoberkanten, Höhenlage der abgehängten Decken und Ähnliches. IFC unterstützt leider keine benannten benutzerdefinierten Koordinatensysteme, aber mit dieser Systematik kann man das ebenfalls strukturieren.

Räume

COMPLEX

Bei Räumen sind die Gruppierungen wiederum sehr gebräuchlich, wenngleich diese nur eine Gruppierung zulässt. Weitere, flexiblere Gliederungen lassen sich im IFC-Schema jedoch ebenfalls bewerkstelligen.

PARTIAL

Ein Raum kann wiederum in mehrere Zonen gegliedert sein, was bei Wohnküchen oftmals anwendbar ist – manchmal wird der gesamte Raum benötigt, manchmal die Teilbereiche. Ein anderes Beispiel sind Arbeitsräume, die schlechter belichtete Bereiche aufweisen, die nur als Lagerzone verwendet werden dürfen.

Conclusio

Ein genaues Studium des IFC-Schemas bringt immer wieder solche Perlen zutage. Diese simple zusätzliche Unteteilung führt dazu, dass viel mehr Situationen aus der Praxis in einem solchen BIM-Modell abgedeckt werden können. Es bleibt zu hoffen – und zu fordern! – dass diese Funktionalität auch von den Softwareherstellern in den jeweiligen BIM-Programmen implementiert werden.

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