Wie konnten wir nur?

Wenn man sich lang genug mit dem Thema BIM auseinandergesetzt hat – und insbesondere mit den Beratern und „Early Adoptern“ – so könnte man zu der einen großen Frage kommen: wie konnten wir nur?

Wie konnten wir ArchitektInnen und PlanerInnen nur all die Jahre ohne BIM leben? Wie haben wir es nur geschafft, Pläne zu erstellen, die zwischen den Disziplinen koordiniert waren? Wie konnten aus den Plänen Mengen abgeleitet werden? Echt, händisch? Wie hat eine Baufirma überhaupt ein Gebäude errichten können, ohne es vollständig in 3D vorliegen zu haben? Und wieso war das damals auch noch so viel billiger als heute?

Analyse

Während gerade die steigenden Kosten unter anderem der Inflation geschuldet sind, zeigen andere Fragen die Technologiegläubigkeit der meisten BIM-„Jünger“. Alles muss in 3D modelliert werden. Jede Information muss im Modell verankert werden. Die Kollisionen werden durch Prüfsoftware aufgedeckt; die „Issues“ müssen nur mehr abgearbeitet werden.

Dafür braucht es „nur“ eine AIA, eine OIA, eine BIA, einen BAP, einen BIM-Manager, eine Gesamtkoordinatorin, BIM-Besprechungen, BIM-Koordinationsbesprechungen, IDM, MVD, etc. Im Projekt gibt es keine Projektanten und Konstrukteurinnen mehr, sondern „BIM-Daten-Autoren“ oder „BIM-Modeller“. Die fachliche Kompetenz und die datentechnische Umsetzung entzweit sich ein weiteres Mal, wie schon bei der Trennung der Planung von der ausführenden Tätigkeit.

In kleinen Projekten gibt es mittlerweile mehr Rollen als AkteurInnen.

Dies ist wahrscheinlich ein sehr düsteres Bild, das wir hier über BIM zeichnen. Aber in vielen Projekten entsteht mit BIM (nicht gezwungenermaßen wegen BIM!) ein bürokratisches Monster, das nicht mehr gezähmt werden kann. Der Hausverstand hat ausgedient.

Warum also machen wir das alles? Welchen Sinn hat es, ein ganzes Gebäude genau zu modellieren, wenn niemand dieses genaue Modell nutzt? Hunderte Parameter werden eingegeben, ohne zu wissen, ob diese später von den richtigen Personen abgerufen werden können.

BIM geht auch einfacher. Zielgerichteter. Schlanker (zu Neudeutsch „Lean“). Informationen müssen im Projekt und aus den Bauprozessen heraus angefragt werden („pull“) und nicht auf Vorrat ins Projekt hineingepusht werden. Wenn ein Attribut eingegeben werden soll, so muss klar sein, wofür dieses verwendet wird. Planerstellung? Ausschreibungserstellung? Arbeitsvorbereitung? Kostenschätzung?

All das musste ja auch bisher gemacht werden, und – zur Verwunderung der BIM-Theoretiker – hat auch bisher funktioniert. Nicht effizient, nicht fehlerfrei; aber wir sollten jetzt nicht anfangen, Kalkulanten, Architektinnen und Bauleitern ihre Arbeit erklären zu wollen. Wir können sie unterstützen; wir können Informationsläufe und Übergaben so organisieren, dass sie besser funktionieren; wir können dafür sorgen, dass die effizienteste Person die Informationen liefert, und wir uns Mehrfacheingaben sparen. Aber die Arbeit machen immer noch die Personen im Projekt oder im Betrieb.

Lösung?

Die derzeitige Annahme, dass BIM ein 3D-Modell ist, eine „Single Source of Truth“, welche mit Informationen angereichert ist, führt zu einer sehr eingeschränkten Nutzung und einer unnötig genauen Arbeitsweise zu einem frühen Zeitpunkt. Hier muss mit viel mehr Augenmaß an das Thema herangegangen werden. Warum ein ganzes Haus modellieren, wenn nur ein paar Wände verschoben werden? Warum alle Bauwerksanschlüsse detailliert modellieren, wenn nur Pläne generiert werden, und auf diesen lediglich ein paar Anschlüsse sichtbar sind? Brauchen wir ein parametrisches As-Build-Modell von jedem Einfamilienhaus?

Bis die Technologie uns hier nicht noch einen weiteren sehr großen Teil der Modellierung abnimmt, sollten wir uns wieder auf unsere Wurzeln besinnen. Nein, es ist nicht CAD gemeint. Es ist die Überlegung, welche Form der Kommunikation und Dokumentation am besten für die jeweilige Aufgabe geeignet ist. Ein Bleistiftstrich am Boden, direkt auf der Baustelle. Eine Handskizze bei der Besprechung mit den ausführenden Firmen. Eine Checkliste für die Durchführung von Überprüfungen.

Ausgehend von diesen Situationen, in denen eine Information wirklich benötigt wird, sollten Informationsflüsse organisiert werden. Nicht auf Vorrat, sondern zu dem Zweck, in diesen Situationen verfügbar und sinnvoll nutzbar zu sein.

Nur automatisiert erfassbare Daten, für deren Sammlung und Vorhaltung de facto keine höheren Kosten anfallen (3D-Scans, Drohnenbefliegung, Maschinendaten, Nutzungsdaten etc.) sollten en masse generiert werden. Jede Information, die von Personen eingegeben und verarbeitet werden muss, muss ihren Aufwand „wert“ sein. Die Information muss nachvollziehbar und verlässlich sein; im besten Fall steht hinter ihre eine verantwortliche Personen.

Wie immer bei BIM gilt: so wenig wie möglich, so viel wie nötig. Und: „No BS“.